EKKEHARD GNADLER PHOTOGRAPHIEN

EKKEHARD GNADLER

PHOTOGRAPHIEN

EIN SOMMERNACHTSTRAUM

 

DIE TOTALE MONDFINSTERNIS 38 IM SAROSZYKLUS 129 UND DIE PERIHEL-OPPOSITION DES ÄUSSEREN PLANETEN MARS IN DER SOMMERNACHT VOM 27.JULI AUF DEN 28. JULI 2018

Es ist ein einfacher Vorgang: Ein Körper beleuchtet einen Zweiten, durch dessen Schatten ein dritter Körper wandert. Doch diese drei Kugeln auf einer Linie bilden einen so komplexen Dreiklang an unserem Himmel, daß uns die Vorstellung für die Maße, die Dimensionen und die Abstände der Körper Sonne-Erde-Mond verborgen bleibt, und wir einfach nur staunend die Phänomene schauen können, die mit diesem Schattenspiel in Raum und Zeit verbunden sind.

Am Abend des 27. Juli 2018 erschien für Beobachter in Mitteleuropa der Vollmond bereits verfinstert über dem Süd-Ost Horizont. Unser guter alter Mond ist in den kegelförmigen Schatten der Erde hineingewandert und bildet einen dunklen Anschnitt auf seiner Topographie ab. Der Rand dieser Abbildung erscheint diffus und ist von anderer Art und Farbe als das Schattensegment selbst. Die Rundung wird vom Beobachter zu einem Kreis ergänzt, und dieser imaginäre Kreis am Himmel ist der Kernschatten der Erde. Er weist in etwa den 2½-fachen scheinbaren Monddurchmesser auf, und kann überhaupt nur bei einer Mondfinsternis sichtbar werden. Dann, im Erdschatten vollständig eingetaucht, leuchtet der Mond zunächst in Orangetönen, alsbald rötlich und schließlich tiefrot. Der Mond erscheint ferner und kleiner denn je, und vielleicht dadurch auch geheimnisvoller.

Die Physik lehrt uns, das Sonnenlicht legt einen mehrere hundert Kilometer langen Weg durch die Erdatmosphäre zurück, wobei die kurzwelligen blauen Anteile des weißen Lichts deutlich stärker in andere Richtungen an den Luftmolekülen gestreut werden als langwellige rote Anteile. Komplexe Refraktionserscheinungen lenken das rote Licht bis zu 2 Grad nach innen, und dieses Licht erreicht im Kernschatten der Erde den Mond. Besonders eindrucksvoll war auch die Beobachtung einer dunkleren Mondmitte zur Finsternismitte und einer etwas helleren Mondperipherie, was vom fast zentralen Schattendurchgang herrührt.

Es geht der Vollmond abends in östlicher Richtung bei Sonnenuntergang auf, erreicht im Süden seine höchste Stellung am irdischen Firnament, und neigt sich morgens in westlicher Richtung wieder dem Horizonte entgegen. Des Mondes eigene Bewegung um die Erde verläuft jedoch entgegengesetzt zu diesem Tagbogen. Sie verläuft langsamer und zeichnet am irdischen Himmelszelt einen Pfad von West nach Ost vor den weit entfernten Fixsternen. In weniger als einer Viertelstunde kann beobachtet werden, wie sich die Schattengrenze über den Mondmaren und Kratern verschiebt, bis schließlich nach etwas weniger als einer Stunde die ganze Mondkugel mit Schatten überdeckt wird. Dann steht der Mond bereits höher am nunmehr dunklen Erdenhimmel und es tauchen die ersten Sterne um den vollverfinsterten Mond herum auf. Ein erhabener Anblick! So kommt es, daß der Schattenrand der Finsternis alsbald auf der gegenüberliegenden Mondseite hervortaucht und sich die Erscheinungen in umgedrehter Folge geometrisch zuverlässig wiederholen. Diese totale Mondfinsternis gehörte zweifelsohne zu den ganz großen astronomischen Ereignissen unserer Zeit. Mit einer Totalitätsdauer von 103 Minuten war sie nebenbei die längste Mondfinsternis des gesamten 21. Jahrhunderts.

6 Grad südlicher geht der äußere, rote Nachbarplanet Mars auf, der am selben Tag exakt gegenüber der Sonne weilt, und die Mondfinsternis 38 im Saroszyklus 129 permanent hellstrahlend begleitet. Im Gegensatz zum gerade erdfernen Mond stand der Mars der Erde im Juli 2018 besonders nahe. Die geometrisch zeitgleiche Konstellation aus erdfernem Mond mit fast zentralem Durchgang durch den Kernschatten der im Juli sonnenfernen Erde, und einem gleichzeitig in nahezu erdnächster Position stehenden roten Nachbarplaneten, ist im wahrsten Sinne der Worte für unsere gewohnten Zeitmaßstäbe einmalig: Die Gelehrten errechnen, daß ein solches Ereignis etwa alle 105.000 Jahre stattfindet. Der über 1200 Jahre währende Saroszyklus 129 umfasst insgesamt 71 Mondfinsternisse, von denen nur 11 total verlaufen, 43 partiell sind und 17 als Halbschattenfinsternis erscheinen.
Was würde man wohl vom Mars aus beobachten können? Ein Erdmond vor der Erde, und beide Körper, wie sie vor der Sonne vorbeiziehen? Ein schwarzer Punkt vor der Sonne.

 

Aufnahmedaten Bild 1

Datum: 27. / 28. Juli 2018
Uhrzeit: 20 Uhr 58 bis 0 Uhr 20 MESZ
Mehrfachbelichtung aus 34 Aufnahmen
mit stationärer Kamera, Intervall: 6 Minuten
Gesamtdauer: 3 Stunden und 22 Minuten
Ort: Magliano, Süd-Toskana
Position:  42.59° N und 11.28° E
Objektivbrennweite: 35 mm
Blende: 5,6
Empfindlichkeit: ISO 200
Belichtungszeiten: 1/100 Sekunde bis 6 Sekunden
Belichtungsmessung: mit zweiter Kamera, Zeit ständig nachgeführt
Ausschnittvergrößerung
 

BILD 2 - 15

Weitere Aufnahmen entstanden mit Objektiven bei Brennweiten von 28 mm bis 300 mm. Die Detailaufnahmen des Mondes sind mit einem kleinen Teleskop angefertigt worden, ein 80 mm ED-Apochromat mit 560 mm Brennweite, 2.5“ Bildfeldebnung und mit motorischer Nachführung auf einer parallaktischen Montierung. Mit APS-C-Sensor ergab sich eine effektive Brennweite von 900 mm. Bild 11 und 13 sind HDR-Aufnahmen aus jeweils 2 Belichtungen. Bild 12 ist eine Mehrfachbelichtung aus 3 Aufnahmen, die jeweils mit 2½ Minuten Abstand angefertigt wurde. Die gesamte Sequenz der Mondfinsternis 2018 ist dokumentarisch enthält keinerlei Bildmontagen oder Bildmanipulationen.

 

BILD 9

Uhrzeit: 21 Uhr 25 bis 23 Uhr 19 MESZ
Mehrfachbelichtung aus 20 Aufnahmen
mit stationärer Kamera, Intervall: 6 Minuten

 

METEOROLOGIE

Lufttemperatur: 28°C bis 24°C um Mitternacht,
relative Luftfeuchtigkeit: 40% bei Mondaufgang und etwa 86% zu Mitternacht,
windstill, leichter Dunst, nach der Mitte der Finsternis stark zunehmend,
nach dem 4. Kontakt Durchzug einiger Schleierwolken, Hof-Erscheinung um den Mond.

 

Chronologie

1          20 Uhr 58 bis 0 Uhr 20 – Der Tagbogen der „Toskanischen Finsternis“
2          20 Uhr 48 – Der bereits verfinsterte Mond steigt aus dem Horizontdunst empor
3          21 Uhr 06 – Die Dämmerung klingt ab, die Verfinsterung nimmt zu
4          21 Uhr 32 – Schauspiel: Unser äußerer nachbarplanet Mars begleitet den Mond
5          22 Uhr 19 – Zur Finsternismitte werden die Sterne im Bild des Steinbocks sichtbar
6          22 Uhr 20 – Die Mitte der Jahrhundert-Mondfinsternis
7          23 Uhr 04 – Die Kernschattenphase nähert sich ihrem Ende
8          23 Uhr 13 – Mond und Mars stehen unweit der Sommermilchstraße, die sichtbar wird
9          21 Uhr 25 bis 23 Uhr 19 – Perlenkette: Die zentrale Phase in einer Reihenaufnahme
10        23 Uhr 18 – nach dem 4. Kontakt erreicht das Sonnenlicht den östlichen Mondrand
11        23 Uhr 20 – Die Lichtsichel am östlichen Mondrand wird schnell wieder breiter
12        23 Uhr 28 – Die Helligkeitswerte nehmen vom Licht zum Schatten extrem ab
13        23 Uhr 31 bis 23 Uhr 39 – Die Licht- und Schattenänderungen verlaufen spürbar rasch
14        23 Uhr 58 – Durchziehende Schleierwolken ergeben ein schönes Halo
15        0 Uhr 24 – Der 5. Kontakt mit Austritt aus dem Kernschatten steht unmittelbar bevor
16        0 Uhr 47 – Der Vollmond befindet sich noch im Halbschatten, leuchtet aber wieder wie gewöhnlich

Alle Zeitangaben in MESZ