EKKEHARD GNADLER PHOTOGRAPHIEN

EKKEHARD GNADLER

PHOTOGRAPHIEN


Lofoten

Reist man in Europa an den 68sten Breitengrad Nord, eröffnet sich eine andere, fast wäre zu sagen: eine eigene Welt. Hier steht die Mittagssonne stets 14 Grad tiefer als bei uns an der Ostsee, und der richtungsweisende Polarstern bereits so hoch, daß man ohne zu zögern schon an den nahen Erdennordpol denken mag. An der Westseite Nord-Norwegens ragt eine schroffe, zerklüftete Felslandschaft wie eine Tatze schmal und weit in den Atlantik hinein: Die Lofoten. Sein Name setzt sich aus dem altnordischen für Luchs und foten für den Fuß zusammen.
Vom nördlichen Eismeer tosend umspült, sorgt der atlantische Golfstrom jedoch für ein milderes Klima. Selbst im Januar und Februar sinken die Temperaturen nur wenig unter den Nullpunkt, und die Berge halten das oft unwirtliche Westwetter etwas ab. Die Gezeiten aber pressen das Wasser mit heftiger Gewalt zwischen den unzähligen einzelnen Inseln hindurch. Seit tausenden mal tausenden Jahren wird diese Landschaft geformt, geprägt und geschliffen, ein fortwährendes Mahlen des endlosen Gezeitenstromes an uralten Steinen. Fast an der Südspitze dieses ‚Luchsfußes‘ liegt der Ort Reine, den wir besucht haben. Ein beschaulicher Ort, dessen Inselchen mit zahlreichen Brücken verbunden sind, und dessen bunte Häuschen den blanken Fels mit auffälligen Farbtupfern beleben. Auf dem Weg von West-Lappland bis dorthin ist es eine kaum enden wollende, atemberaubend abwechslungsreiche Landschaft, geprägt von tiefen Fjorden, hohen schneebedeckten Felsen und Gipfeln, dem zuweilen satt aufbrausenden Wind, sich auftürmenden Wolkenformationen, dem kristallklaren Wasser mit seinen Kaleidoskop-verwandten Spiegelungen bei Windstille, und schließlich: einem in großer Verehrung alles überspannenden Himmel.
Zuweilen flackern Lichterscheinungen an diesem Himmel auf, kaum vorhersehbar, unruhig sich bewegend, farbenprächtig und meist in Grüntönen leuchtend. Die Schulphysik lehrte uns, Polarlichter haben ihren Ursprung in der Sonne. Von magnetischen Kraftlinien, stark geladenen Teilchenströmen und von lichtwerdenden Kollisionen mit Partikeln in der Erdatmosphäre im großen Aurora-Oval wird berichtet.


Dort oben aber, in der Einsamkeit und Stille, kommt man beim Schauen der Polarlichter auf ganz andere Gedanken. Es erscheint fast so, als würden die immer neuen Lichtformen die kantig sich schlängelnde Erden-Landschaft nachzeichnen wollen. Langgezogene Farbspuren entsprechen irdischen Buchten mit ihren flachen Sandstränden, zackenförmige Gebilde ragen auf wie Felswände, und kurze Lichtbögen liegen wie die Steine am lichtvollen Strand oder eben im tosenden Meer bei Mondlicht.
Im Leben der nordischen Völker sind Polarlichter Teil der Mythologie, tief verwoben in Ihrem Leben in ihrer Kultur. Für die kanadischen Eskimos ist es das Licht von Fackeln, mit denen die Götter die Seelen der Verstorbenen in ein Land des Glücks geleiten. Es ist aber auch das Leuchten der Laternen, mit denen Dämonen im Himmel nach den Seelen der einsamen Toten suchen. Im Norden Europas geben die Boten der Verstorbenen bestimmte Zeichen für die Menschen auf der Erde. Die Indianer Nordamerikas sagen, Gott habe sich nach der Erschaffung der Welt im Norden zur Ruhe gesetzt. Das Polarlicht ist der Widerschein seines Lagerfeuers und zeige den Menschen, daß er an sie denke. Ein Kind sagte: Polarlichter sind, wenn Engel tanzen. Man mag ihm gerne Glauben schenken.

Könnten wir nur das erleben, was wir auch erklären können, das wäre herzlich wenig. Mit Schönheit können wir leben, die Welt wird uns heimisch. Sie wird uns dann heimisch, wenn wir ihr Bedeutung geben - und zurückgeben. Photographie ist hierbei eine sehr gute von vielen sehr guten Möglichkeiten. In dieser Stimmung wurde die Entstehung dieser Bilder begonnen und auch beendet. In zwei langen Nächten hatten wir das flüchtige Glück, Polarlichter zu sehen. In Richtung Nord-West flammten über den nahen Bergen grün scheinende Lichtwolken auf. Lichtschleier, schwebend vor den Sternen, und weit hinter später durchziehenden Wolken.

 

Ausstellung

Die Bilder entstanden während einer Gruppenreise, die von der Erlebniswelt Fotografie Zingst Ende Februar 2016 durchgeführt wurde. Die Foto-Ausstellung ist ab dem 12. März und bis Mitte Mai 2016 in der Galerie im Kurhaus Zingst zu sehen.